Joscha Steffens, Thinkcard, aus der Serie: Teen Spirit Island, 2012–2015

Andrea Grützner
Johannes Franzen
Joscha Steffens

Die ›alte‹ Kantine der DZ BANK war in die Jahre gekommen und technisch wie ästhetisch einfach nicht mehr zeitgemäß. Umso mehr weckte das Design Erinnerungen an vergangene Zeiten und hatte seinen ganz eigenen Charme. Eine Künstlerin, der es gelingt, mit ihrer Kamera genau diese Nuancen von besonderen Orten einzufangen und dabei gleichzeitig eine ganz neue Bildästhetik entstehen zu lassen, ist Andrea Grützner.

Auf Einladung der DZ BANK Kunstsammlung nimmt die Fotokünstlerin den Speiseraum noch vor seiner Sanierung mit der Kamera in den Blick. Dabei taucht sie die Räume buchstäblich in ein neues Licht: Um den Fokus auf ein bestimmtes Detail zu legen oder ungewöhnliche Farben und harte Schattenwürfe entstehen zu lassen, nutzt Grützner für die Werkreihe »Kantine« farbige Blitze. Gleichzeitig wählt sie die fotografierten Ausschnitte so, dass der Raum »zur Fläche« wird, erzählt die Künstlerin in einem Interview, und zu einer geometrischen Farbkomposition gerät. So haben die Fotobilder beim ersten Hinsehen nur noch wenig mit der ›alten‹ Kantine zu tun, wie wir sie in Erinnerung haben. Dafür lenkt Andrea Grützner die Aufmerksamkeit des Betrachters auf grafische Strukturen und Farbwelten. Auf diese Weise ermöglicht sie einen anderen Blick auf den Ort der mittlerweile tatsächlich vergangenen Zeit.

Auch der Frankfurter Künstler Johannes Franzen richtet sein Augenmerk auf das Phänomen Farbe, konkret auf das riesige Spektrum digitaler Farbvielfalt. Seit den späten 1990er Jahren beschäftigt er sich mit den Mechanismen und Möglichkeiten der digitalen Bilderzeugung. So hat Franzen die großformatigen und farbgewaltigen Fotoarbeiten der Serie »40962 rot, grün, blau« aus dem Jahr 2007 auf dem Computerbildschirm zusammengesetzt. Hierfür lässt er auf seinem Rechner eine Software mit einem von ihm geschriebenen Programm laufen, das den Bildschirm ansteuert und auf der Grundlage von Hexadezimaldateien Bilder generiert: Das Ergebnis sind »Maschinenbilder«, wie er selbst sagt, auf denen nichts weniger zu sehen ist als die Gesamtzahl aller möglichen digitalen Farbwerte. Insgesamt sind dies 4096 im Quadrat, wie auch der Titel der Werkreihe verrät, also gut 16,7 Millionen einzelne Farben. Auf den ersten Blick erkennt man auf den ausbelichteten Fotografien fließende Farbverläufe von Rot zu Grün, von Blau zu Rot oder von Grün zu Gelb, die sich aus der Kombination unzähliger verschiedenfarbiger Quadrate ergeben. Erst bei näherem Herantreten ist die Struktur und Trennschärfe des Pixelrasters mit den unterschiedlich farbigen Quadraten auszumachen.

Joscha Steffens hingegen widmet sich in seiner Werkreihe »Teen Spirit Island« der digitalen Welt der Computerspiele: In einem Interview bezeichnete er sich einmal als »Gamer-Paparazzo« – drei Jahre lang hat er professionelle Spieler des Computer-Strategiespiels »League of Legends«, die überwiegend männliche Jugendliche sind, begleitet. Dabei hat er den Kontakt zu ihnen, ihren Trainern und Managern gesucht. Er ist den jungen Star-Gamern, die wie Sportstars für Turniere durch die Welt touren, zu den Europa- und Weltmeisterschaften nach Südkorea, in die USA und in verschiedene Länder Europas nachgereist, hat sie beobachtet, fotografiert und gefilmt – vor und während der Game-Sessions, in den Pausen und danach. Entstanden sind eindrucksvolle Aufnahmen der Gamer, die völlig in die digitale Parallelwelt versunken scheinen. Indem Steffens seinem Werkzyklus den Namen einer Kinder- und Jugendpsychiatrie für computersüchtige Jugendliche in Hannover – »Teen Spirit Island« – gibt, thematisiert er zugleich die Gefahr des obsessiven Sich-Hineinbegebens in die fiktive Welt des Computerspiels. Über Jahre in einer virtuellen Welt agierend, müssen die Spieler nicht selten mit professioneller Hilfe erst wieder lernen, in ihrem realen Umfeld soziale Bindungen einzugehen.

Ergänzt hat Joscha Steffens den Werkzyklus von Spielerfotos und Videoaufnahmen um wandfüllende Bilder von Avataren aus der virtuellen Spielwelt – jenen fantastischen Spielfiguren, die die Gamer als Rolle einnehmen. Mit den Bildern vom »Pantheon [Artisan of War],«, von »Janna [Storm’s Fury]« und »Rengar [Pridestalker]« präsentieren wir im Übergang zum Pavillon drei solcher Computerspiel-Grafiken. Mit einem Epoxidharz überzogen, gewinnen die riesigen Fantasiegestalten nahezu plastische Qualität. Sie wirken unheimlich, aufreizend oder bedrohlich und sind von einer Ästhetik, die bei den Betrachtern zweifellos nicht nur Gefallen, sondern auch Ablehnung hervorzurufen vermag. Genau damit aber spielt Joscha Steffens; er stellt eine »Ästhetisierung von Gewalt« in den Computerspielen zur Schau, die er mit seiner Arbeit hinterfragt. So leitet er die Frage, was ihn fasziniert oder abstößt, letztlich an den Betrachter seiner Werke weiter – eine Antwort muss jeder für sich selbst finden.

Andrea Grützner wurde 1984 in Pirna geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Johannes Franzen wurde 1967 in Alf/Mosel geboren. Er lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

Joscha Steffens wurde 1981 in Waiblingen geboren. Er lebt und arbeitet in Amsterdam.

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