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Ihre Kunststiftung DZ BANK
Passagen markieren nicht nur räumlich-architektonische Phänomene wie Durchgänge oder Durchfahrten, sondern umfassen ganz allgemein Situationen des Übergangs. Als Moment des Zustandswechsels bilden sie das Scharnier zwischen einem Vorher und einem Nachher. Passagen können persönlich und kollektiv erfahren werden; sie können historischer und politischer Natur sein. Auch die fotografische Kunst kann als passagenhaftes Medium aufgefasst werden. Sie fungiert als Vermittlerin zwischen den abgebildeten Inhalten und den sie wahrnehmenden Betrachterinnen und Betrachtern – also zwischen Objekt und Subjekt. Anhand von drei künstlerischen Positionen aus der Sammlung der DZ BANK soll in dieser Ausstellung die Vielschichtigkeit der Thematik des »Dazwischen« aufgezeigt werden.
Wenden wir uns zunächst der 1972 geborenen Loredana Nemes zu. Im Jahr 2012 porträtiert sie für ihre Serie »Blütezeit« auf einer Wiese liegende Jugendliche mit einer analogen Mittelformatkamera. Mit ihren Schwarz-Weiß-Bildern erkundet die Künstlerin – die im Entstehungsjahr des Kunstwerks selbst Mutter geworden ist – das komplexe Thema des Erwachsenwerdens, eine Zeit, die durch emotionale Höhen und Tiefen, Veränderungen des Körpers und Identitätsfindung charakterisiert ist. Die vermeintlich schlafenden Jugendlichen strahlen Ruhe und Intimität aus, wirken aber gleichzeitig zerbrechlich und ungeschützt; ein Eindruck, der auch durch das kleine Format der Fotografien entsteht. Die Jugendlichen posieren nicht, sondern scheinen einfach zu »sein«. Loredana Nemes bildet den flüchtigen Moment zwischen Kindsein und Adoleszenz ab und legt so den Wandlungsprozess der persönlichen Entwicklung offen. Blühende Magnolien unterstreichen diesen Prozess metaphorisch. Darüber hinaus verschafft die Künstlerin dem Raum »zwischen« den Jugendlichen Geltung, indem sie diese einzeln fotografiert und später zu einer Gruppe zusammenfügt.
Zu schlafen scheinen auch die Orte aus der Serie »Dark Whispers« von Beatrice Minda, private Interieurs von alten Häusern und Wohnungen im fernöstlichen Myanmar. Die Künstlerin hat die Fenster, die offenen Türen und Fluchten – in der Kunstgeschichte sämtlich Übergangsräume – so fotografiert, dass sie in Kontrast geraten zu dem »Dornröschenschlaf« der verlassenen oder scheinbar verlassenen Räume. Bei genauerer Betrachtung fällt unser Blick auf Lebensspuren: einen Zahnputzbecher, Kleidung am Haken, ein gerahmtes Bild, ein aufgeschlagenes Zelt. Jede Wand, jede Nische, jeder Handlauf eines Treppengeländers spricht von den Menschen, die in diesen Räumen lebten oder noch immer leben. Beim Betrachten stellt sich die Frage, ob man Gast ist oder Eindringling. Die aus dunklem Holz errichteten Häuser stammen sämtlich aus der britischen Kolonialzeit in Myanmar und spiegeln deren Repräsentationsformen, Atmosphären und Lebenswelten wider. Sie sind Relikte einer gewaltvollen Zeit der Fremdbestimmung. In den abgebildeten Räumen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, aber sobald die improvisierten Schlafplätze ins Bild treten, wird der Kontrast zwischen dem historischen Charakter und der heutigen Nutzung sichtbar. Myanmar – früher auch Birma oder Burma – hat eine lange Geschichte militärischer Diktaturen und politischer Umbrüche. Beatrice Mindas Kunstwerke sind Zeugnisse dieser stehenden, dunkel durchflüsterten »Zwischenräume« von Damals und Heute.
Wieder anders eröffnet sich die »Passage« im Werk von Sandra Kranich. Zu Beginn ihres Kunststudiums zeichnete sie hauptsächlich kosmisch wirkende Explosionen und Weltraumarchitekturen mit dem Bleistift. Inspiriert von der Schönheit der explosiven Kraft begann sie mit Feuerwerk zu experimentieren und ihre Zeichnungen mit Licht- und Farbeffekten weiterzuführen. Die Ausbildung zur Pyrotechnikerin ermöglichte ihr es, ihre künstlerischen Ideen professionell zu inszenieren. Die fotografische Arbeit »Firework 8.6.2012« bezieht sich auf eine Feuerwerk-Performance am 5. Juni 2012 in Zürich. Für Performances wie diese errichtet die Künstlerin zunächst Skulpturen, an denen sie systematisch Sprengkörper anbringt. Bei »Firework 8.6.2012« bestand die Basiskonstruktion aus aufeinandergestapelten goldenen Blechdosen. Im Moment der Zündung entlädt sich die Energie der Konstruktion in Form eines choreografierten Explosionsgeschehens, das nach wenigen Sekunden erlöscht. Um die Ereignisse festzuhalten, werden diese mit Hilfe von Fotografien und Videos dokumentiert. Darüber hinaus presste Sandra Kranich die Überreste der verbrannten Konstruktion aus Dosen, Leitern, Stromkabeln, Zündschnüren und Böllern anschließend zu der Skulptur »Compact Time«, 2012. In dieser ist nicht nur die Zeit des Ereignisses »aufgehoben«, sondern auch seine Energie, was den Gedanken nahelegt, dass diese Energie erneut freigesetzt werden kann.
Nicht nur am Material ihrer Kunstwerke kann man somit vielfältige Transformationsprozesse beobachten – das Schaffen von Sandra Kranich insgesamt lässt sich als fortwährender Transformationsprozess verstehen. Dabei bleibt die finale Form der Feuerwerk-Performance allerdings offen, da Feuerwerkskörper nicht wie geplant abbrennen oder andere Unvorhersehbarkeiten eintreten können. Kontrolle und Zufall sind hierbei eng miteinander verbunden.
Die Arbeiten von Loredana Nemes, Beatrice Minda und Sandra Kranich beleuchten das Thema der Passage auf unterschiedliche Art und Weise. Die verschiedenen künstlerischen Positionen zeigen, wie Passagen nicht nur architektonische Strukturen, sondern auch persönliche, politische und materielle Veränderungen reflektieren können.
Sandra Kranich wurde 1971 in Ludwigsburg geboren. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.
Beatrice Minda wurde 1968 in München geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Loredana Nemes wurde 1972 in Sibiu, Rumänien geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.