Helena Petersen, Colour LV, 2015

Elemente

Helena Petersen
Dörte Eißfeldt
Ingeborg Lüscher
Inge Rambow

 

Feuer, Wasser, Luft und Erde sind die vier Bestandteile aus denen gemäß der Vier-Elemente-Lehre alles Existierende besteht. Nun entspricht die bereits in der Antike aufgekommene Lehre freilich nicht mehr unserem heutigen naturwissenschaftlichen Wissensstand – in der Kunst indessen ist die Faszination für die vier Elemente ungebrochen.

So nutzt beispielsweise Helena Petersen Feuer als gestaltendes Medium für die Bilder ihrer Werkreihe »Pyrographie«; genauer gesagt verwendet sie das Mündungsfeuer einer Schusswaffe. Petersen ›schießt‹ ihre Bilder – im wahrsten Sinne des Wortes. Hierfür bedient sie sich eines Verfahrens der kameralosen Fotografie, in dem lichtempfindliches Fotopapier direkt in der Dunkelkammer, in diesem Fall dem abgedunkelten Schießstand, belichtet wird. Sie legt ein Farbfotopapier auf einen waagrechten Untergrund und feuert mit einem Abstand von nur wenigen Zentimetern einen Schuss parallel zum Blatt ab. Durch die Explosion der Pulverladung tritt an der Mündung der Handfeuerwaffe eine Flamme aus – das Fotopapier wird belichtet und ein Bild entsteht. Ähnlich der Wellenstruktur, die sich bildet, wenn man einen Stein ins Wasser wirft, entwickelt sich ein rundes Farbgebilde in einer kreisförmigen Ausdehnung, sprühende Funken lassen Verbrennungen auf der Bildoberfläche zurück. Ohne dass die Feuerflamme den Bildträger also tatsächlich ›berührt‹, hinterlässt sie durch eine chemische Reaktion ihre farbige Spur auf dem Blatt und gewinnt eine bildliche Gestalt.

In den Fotografien von Dörte Eißfeldt findet sich dagegen das Element Wasser abgebildet. Wobei sie nicht flüssiges Wasser fotografiert, sondern Schnee – oder vielmehr einen Schneeball. Für ihre Werkreihe »Schneeball« aus dem Jahr 1987 lichtet sie eine in ihrer Hand liegende Schneekugel ab. Vom Negativ dieser einen Fotografie stellt sie anschließend in der Dunkelkammer mehrere hundert Abzüge her, von denen sie eine Auswahl von 29 Bildern in einem Buchprojekt veröffentlicht. In den zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos rückt Dörte Eißfeldt ihr Motiv jeweils buchstäblich in ein anderes Licht: Mal sehen wir eine gleißend helle Kugel vor dunklem Hintergrund, mal einen Negativabzug, bei dem die Farbwerte umgekehrt sind und sich der dunkle Schneeball vom hellen Hintergrund abhebt.

In Ingeborg Lüschers Fotografien aus der Serie »Meereskugel« schwimmt eine Gipskugel in der Meeresbrandung. Hin- und hergeworfen von den Wogen wird die Kugel mit unregelmäßiger Oberfläche von schäumendem Wasser umspült und zeichnet in ihrer Bewegung gleichsam dessen ›Pulsieren‹ nach. Seit den frühen 1990er Jahren widmet sich die deutsch-schweizerische Malerin und Konzeptkünstlerin auch der Fotografie. Die dominierenden Farben ihrer Aufnahmen sind Gelb und »Dunkel«, wie es Lüscher beschreibt, seit die Verwendung von Schwefel und Holzkohlenasche die Farbgebung ihrer Arbeiten bestimmt. Dabei geht es ihr nicht allein um die ästhetische Wirkung, sondern vor allem um einen »dialektischen Bedeutungskontrast von Licht und Dunkelheit, von Leben und Tod«, wie Beat Wismer erläutert. Das dualistische Prinzip »Himmel und Erde« versucht Ingeborg Lüscher demgegenüber in ihrer gleichnamigen Fotoserie aus dem Jahr 1993 aufzuheben. Gelbe Wolken verhüllen die fotografierte Landschaft, der Horizont verschwindet im leuchtenden Nebelschleier, die Konturen der Hügel und Baumwipfel verschwimmen in den gelben Schwaden, die durch das Bild ziehen. Himmel und Erde hören auf, »das eine oder andere zu sein«, kommentiert die Künstlerin ihre Aufnahmen, die Assoziationen an geheimnisvolle Fantasiewelten wecken.

Das vierte Element bekommen wir in den großformatigen Fotos von Inge Rambow eindrücklich vor Augen geführt. Die spröde Schönheit der hügeligen Landschaften, der krustigen Erdoberflächen und endlosen Weiten steht allerdings in starkem Kontrast zu dem, was sich tatsächlich abgebildet findet: Für ihre Bilderserie »Wüstungen« fotografiert Rambow nach dem Fall der Mauer gigantische Industriebrachen in der ehemaligen DDR. Die Reifenspuren im Sandboden, Berge von verrostetem Eisenschrott oder eingestürzte Förderbänder – industrielle Relikte der einstigen Braunkohlegruben – nimmt man erst auf den zweiten Blick wahr. »Um Dokumente der Wirklichkeit dieser Landschaften zu erhalten«, so schildert die Fotografin ihre Beweggründe zur Serie, durchwandert sie mit ihrer Plattenkamera die Gruben in Sachsen und Brandenburg und lichtet die verwüsteten Landschaften ab, deren Rekultivierung mindestens noch bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts dauern wird. Neben den eminenten ökologischen Problemen möchte Inge Rambow mit ihren fotografischen Bildern aber auch auf die Tagebaugebiete als »heroische Landschaft« aufmerksam machen: Sie sieht in ihnen ein »sichtbares Zeugnis einer immensen Arbeitsleistung, die auch eine große Würde in sich tragen«.

 

Helena Petersen wurde 1987 in München, Deutschland geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin und München.

Dörte Eißfeldt wurde 1950 in Hamburg, Deutschland geboren. Sie lebt und arbeitet in Neuenkirchen und Hamburg.

Ingeborg Lüscher wurde 1936 in Freiberg, Deutschland geboren. Sie lebt und arbeitet in Tegna, Kanton Tessin, Schweiz.

Inge Rambow wurde 1940 in Marienburg, Deutschland geboren. Sie lebt und arbeitet in Frankfurt am Main.

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