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Seit dem Aufkommen der Fotografie sind Fotografen immer wieder bestrebt, Charakteristika der Malerei in ihrem fotografischen Schaffen aufzugreifen, ohne dabei jedoch den Blick für medienspezifische Gestaltungsmöglichkeiten und Besonderheiten der Fotografie zu verlieren. Unter dem Titel »Malerei und Fotografie« präsentieren wir auf dieser Etage Fotoarbeiten, die in der Nähe von Malerei angesiedelt werden können.
So rufen etwa die verschwommenen Baumaufnahmen von David Armstrong Assoziationen an eine spätimpressionistische Malweise hervor. Nur schemenhaft zeichnet sich das Fotomotiv ab, die Konturen sind vollständig verwischt. Seit den 1990er Jahren widmet sich der amerikanische Fotograf neben seinen Porträtaufnahmen auch der Fotografie von Naturmotiven. Das charakteristische Stilmittel seiner Landschaftsbilder ist eine extreme Unschärfe, die das gesamte Foto wie ein Nebelschleier überzieht. Dadurch gibt Armstrong nicht nur die wirklichkeitsgetreue Abbildung des Gegenstands auf, auch die Schärfentiefe ist vollständig verloren, wodurch sich die Aufnahme ihrer planen Bildfläche angleicht. Indem er dergestalt auf den bildhaften Charakter der Fotografie und das gestaltende Subjekt hinter der Kamera verweist, betont David Armstrong die Fotografie als ein künstlerisches Medium.
Die Aufnahmen von Sean Scully stehen in einer ganz anderen Verbindung zur Malerei. Scully dienen seine Fotobilder gewissermaßen als Vorlage für seine abstrakten Gemäldekompositionen, die von vertikal und horizontal gesetzten Farbbahnen wie auch rechteckigen Farbfeldern bestimmt werden. »Viele meiner Bilder sehen wie Mauern aus oder sind wie Wände aufgebaut«, beschreibt der Künstler sein malerisches Œuvre, für das der gebürtige Ire tatsächlich auf einen reichen Fundus an Mauerfotografien zurückgreift – wie etwa seinen Fotozyklus »Harris and Lewis Shacks« aus dem Jahr 1990, für den Scully alte Schafställe auf der schottischen Insel Lewis and Harris in den Äußeren Hebriden fotografiert. Mit dem Fokus auf ihre Mauern und Wände, die von Fenstern und Türen durchbrochen sind, lichtet Scully das Motiv stets frontal und bildparallel ab. Dabei gilt sein Interesse den Rastermustern der Fläche mit ihren rechteckigen Einschüben und Überlagerungen ebenso wie der Farbigkeit und Materialität der verfallenden Bausubstanz: das warme Rostbraun der Wellblechwände und Gitter, bröckelnder Putz oder die farbig angestrichen Holztüren. Betrachtet man die Motive mit Blick auf ihren formalen Aufbau, lassen sich die abstrakten Strukturen, die in ihnen angelegt sind, leicht erkennen.
Dagegen ist der malerische Charakter der Fotobilder von Jörg Sasse einer biochemischen Reaktion geschuldet. Grundlage seines gestalterischen Vorgehens ist häufig fremdes Fotomaterial, das er in Auktionshäusern oder auf dem Flohmarkt erwirbt. Für seinen Bildzyklus »Lost Memories«, den er zwischen 2009 und 2011 anfertigt, verwendet er Fotografien, bei denen durch das Einwirken von Feuchtigkeit die Oberfläche der Fotobilder so stark beschädigt wurde, dass sich die Farbigkeit veränderte und Schimmelspuren das Fotopapier überziehen. Das fotografische Motiv ist selbst bei genauer Betrachtung kaum mehr zu erkennen, der Verweis auf die abgelichtete Realität – der Erinnerungsgehalt des Bildes – ist »verloren gegangen«. Stattdessen haben sich organische Strukturen des Bildes bemächtigt. Als Sasse die alten Bilder entdeckt hatte, war er begeistert von den malerisch anmutenden Bildoberflächen und scannte die stark in Mitleidenschaft gezogenen Fotos. In dem er sie zu Kunstwerken erklärt, lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf die ästhetische Qualität des zerstörerischen Prozesses.
Richard Hamilton lässt in seiner Serie der »Eight Self-Portraits« aus dem Jahr 1994 Malerei und Fotografie schließlich in einen unmittelbaren Dialog treten. Hierfür wählt er Selbstporträts aus den frühen 1980er Jahren als Ausgangsmaterial für seine malerischen Bearbeitungen: Hamilton setzt Farbzentren auf die Polaroid-Fotografien, zieht die Konturen von Stirn, Nasenrücken, Lippen und Kinn mit roter Farbe nach, akzentuiert Lichtreflexionen durch weiße Farbkleckse oder verdeckt eine komplette Gesichtshälfte mit dem aufgetragenen Farbmaterial. Dabei geht es ihm nicht allein darum, die Dynamik der Posen oder Mimiken seines Selbstbildnisses in malerische Erweiterungen zu übersetzen. Stattdessen möchte er seinem fotografischen Abbild etwas hinzufügen, etwas, das in der Fotografie selbst nicht zu sehen ist – Erinnerungen, Sehnsüchte, Ängste – und nun in der Übermalung einen bildhaften Ausdruck erhält. Um die Arbeiten auch in einem größeren Format präsentieren zu können, digitalisierte Richard Hamilton die übermalten Polaroids gut zehn Jahre später und ließ sie in einem Thermodruckverfahren anfertigen.
David Armstrong wurde 1954 in Arlington, USA geboren. 2014 starb er in Los Angeles, USA.
Sean Scully wurde 1945 in Dublin, Irland geboren. Er lebt und arbeitet in Königsdorf, Berlin, Barcelona und New York.
Jörg Sasse wurde 1962 in Bad Salzuflen, Deutschland geboren. Er lebt und arbeitet in Brandenburg.
Richard Hamilton wurde 1922 in London, Großbritannien geboren, wo er bis zu seinem Tod 2011 lebte und arbeitete.