Lars Tunbjörk, Öland, 1991

Alltagsmagie

Garciela Iturbide
Albrecht Tübke
Lars Tunbjörk

 

Garciela Iturbides präziser Blick für das Ungewöhnliche prägte die mexikanische Fotografiegeschichte. In kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bildern lotet sie die kulturellen Spannungen ihres Heimatlandes aus. Oftmals sind es kleine Details, die die surrealen Züge ihrer kraftvollen Bilder offenbaren. In »Desierto de Sonora«, der »Sonora-Wüste« im nördlichen Teil von Mexiko, porträtierte Iturbide die mythisch anmutende Gestalt einer Seri-Indianerin, die auf die weite Steppe hinausläuft. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass sie ein Radiogerät in der Hand hält, was eine subtile Spannung zwischen mythischer Tradition und westlicher Moderne erzeugt. Ähnlich surreal mutet eine Szene an, in der ein Schwarm schwarzer Schwalben über dem Kopf eines mexikanischen Bauern kreist. Sein struppiger Haarwuchs wiederholt sich in der spitzen Form der Vögel, die traditionell als Mittler zwischen Leben und Tod gelten. Auch die mit Ritualen verbundenen Alltagsgegenstände der selbstbewussten Frauen von Juchitan bergen surreale Momente, wie etwa ein riesiger Kamm, der quer im langen braunen Haar eines Mädchens steckt. Gegenständen wie diesen widmete Iturbide ihre erste Langzeitstudie, in der sie die matriarchalen Traditionen der Stadt dokumentierte.

Mit subtiler Hingabe an die Farbfotografie und einem Sinn für schwarzen Humor dokumentiert Lars Tunbjörk die Absurditäten kleinbürgerlicher Nachbarschaften in Europa. Durch sich wiederholende Formen und Farben generiert er innerbildliche Bezüge, die den Seelenzustand seiner Protagonisten verdeutlichen: So wirkt ein Mann in einer Kantine in Valbo mit seinem roten T-Shirt ebenso steif wie die roten Kleiderständer, die den Raum umstellen. Die Bildstörung des über ihm angebrachten Fernsehers reflektiert die tiefe innere Gebrochenheit der eintönigen Idylle. In der Kleinstadt Fageräs fotografiert Tunbjörk eine Frau mit buntgemustertem Rock, die zwischen den Blumenrabatten ihrer Terrasse verschwindet. Er wählt den Aufnahmewinkel so, dass eine herabhängende rosa Blumenrabatte ihren Mund überdeckt, als sei sie am Sprechen gehindert, und überspitzt damit subtil das Klischee der stillen Hausfrau. Geradezu deplatziert wirken dagegen zwei Sonnenbadende auf einer Wiese vor einer weißen Reihenhaussiedlung in Öland. Ihre gelben Sonnenschirme scheinen den Schutzraum des Eigenheims vorrübergehend zu ersetzen.

Albrecht Tübke arbeitet seit seinen Studienjahren nach dem Prinzip der seriellen Porträtfotografie. Im immer gleichen Aufnahmewinkel und unter homogenen Lichtverhältnissen fotografiert er die individuellen Eigenarten seiner Modelle. Für die Serie »Citizens« holte er Bürger der Stadt London vor die Kamera. Kleidung und kleine Details, wie eine Plastiktüte der Tate Gallery oder eine Bierflasche, verweisen auf die sozialen Milieus der Abgebildeten. Ihre immer gleiche Position im Bild macht dagegen ihre politische Zusammengehörigkeit als Mitglieder einer Stadtgesellschaft offenbar. In flüchtigen Zügen ihrer verschlossenen Gesichter zeigen sich Charme und Lebenswitz, während Verbissenheit, Härte und Resignation, die das Alltagsleben der Großstadt bestimmen, dominieren.

 

Graciela Iturbide wurde 1942 in Chalma, Mexiko, geboren. Sie lebt und arbeitet in Coyoacán, Mexiko.

Albrecht Tübke, 1971 in Leipzig geboren, lebt und arbeitet in Berlin.

Lars Tunbjörk, 1956 in Borås, Schweden geboren, lebt und arbeitet in Stockholm.

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