Robert Barry, Wallpiece (deutsch), 1997

Robert Barry

Ohne Titel (DZ BANK piece #1 bis #8)

 

Wer die künstlerische Produktion in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren nicht miterlebt hat, kann sich kaum ein Bild machen von der Intensität der Auseinandersetzung mit dem, was als Concept Art die Gemüter bewegte. Sie war die letzte, aus den USA stammende Kunstbewegung internationalen Ausmaßes, welche die Bezeichnung »Avantgarde« rechtfertigt. Robert Barry hat nicht nur an allen wichtigen Ausstellungen der Konzeptkunst teilgenommen, er gehört auch zu deren Pionieren. Einige Bemerkungen zu Barrys Frühwerk scheinen mir angebracht.

Vor 1967 beschäftigte er sich mit systematischer Malerei (Systematic Painting, Guggenheim Museum, New York 1966). Die Erkenntnis, dass die Bilder je nach Raum ihr Aussehen veränderten, ließ ihn schließlich Drahtskulpturen anfertigen, dergestalt, dass beispielsweise zwei Punkte in einem Raum durch eine Horizontale verbunden wurden. Die Wahl der Platzierung steht stellvertretend für eine unendliche Zahl von Möglichkeiten. Jedoch wird mit dieser Entscheidung der Raum ein für allemal definiert.

Ein weiterer Schritt bestand 1969 darin, Edelgas, das unsichtbar ist, in die Atmosphäre zu entlassen. Das ausströmende Gas definierte ein nicht zu bestimmendes, von Fall zu Fall unterschiedliches Raumvolumen. Die Fotos dieser Aktion zeigten jeweils den Ort, zum Beispiel die Mohave Wüste, wobei einzig in der Bildlegende auf die Aktion und das verwendete Gas (etwa Argon, Zenon oder Neon) hingewiesen wurde. Ein wesentliches Element der Konzeptkunst stellt die Entgrenzung der Kunst (im Sinne ihrer Gattungen) schlechthin dar. In »Arts« sagte Barry 1969 in einem Interview: »Ich stelle nicht nur die Grenzen unserer Wahrnehmung in Frage, sondern auch den jeweils gültigen Charakter der Wahrnehmung.« Im Katalog der Ausstellung Prospekt ’69 in Düsseldorf geht er, was die Entgrenzung und Auflösung der Kunst angeht, soweit, dass er dem Interviewpartner gegenüber äußert, seine Arbeit bestünde in den Ideen und Vorstellungen der Leser des Interviews.

In der Folge beschäftigte sich Robert Barry fast ausschließlich mit dem Medium Sprache, zum einem über Worte, die mittels Dias projiziert wurden, aber auch in Form von Textanordnungen, die in der Erscheinung an visuelle Poesie erinnern. »Sprache«, sagt Barry, »fasziniert mich deshalb, weil sie jedem eigen ist. Sprache ist eine Ausdehnung unseres Seins; sie ist Ausdruck von Dingen. Sie bewegt uns innerhalb von Dingen, die räumlich und zeitlich nicht festgelegt sind. Sprache gibt uns die Möglichkeit, Raum- und Zeitgrenzen zu überschreiten« (Interview mit Achille Bonito Oliva, Domus, 525, 1973).

Nimmt man die in der DZ BANK wie Splitter weiträumig verteilten Worte, so entsteht auf den ersten Blick kein Sinnzusammenhang. Jedoch ist jedem Betrachter die Bedeutung der Worte bekannt. Zum Beispiel: ERWARTEN, BEDEUTUNG, FÜHLEN, WUNDERN, PERSÖNLICH, ERINNERN, OFFENHEIT, FORTSETZEN, LEISTUNG, FRAGEN, GEMEINSAM, VERBINDEN, BEDÜRFEN, NOTWENDIG, ZWECK, SETZEN. Alle diese Worte sind in Großbuchstaben gemalt und farblich so gehalten, dass man sich an die Farbgebung – grau – nicht erinnert, mit anderen Worten: Das farbspezifisch dekorative Moment ist bewusst unterlassen worden. Jedes dieser Worte kann einen Bewusstseinsraum im Betrachter/Leser öffnen, der ihn zum einen mit dem beruflichen, aber auch mit dem persönlichen Leben verbindet. Was Robert Barry in herausragender Weise, dank vieler Gespräche mit Mitarbeitern der Bank gelungen ist, ist die Verbindung beider Bereiche über Haupt-, Tätigkeits- und Eigenschaftsworte. Denn was für das Unternehmen gilt, gilt auch zu Hause, in der Familie oder unter Freunden.

Eine weitere Werkgruppe besteht in Porträtfotos von Mitarbeitern (100 x 100 cm), die mit transparentem Acryl in den Farben Violett, Rot, Grün und Grau fast bis zur Unkenntlichkeit übermalt wurden. Diese acht Mitarbeiter stehen für die gesamte Belegschaft, doch werden ihre Namen nicht genannt und die Werke als »untitled« bezeichnet. Das ist kein Widerspruch, denn als Einzelpersonen stehen sie gleichzeitig für alle ein. Auch in diesen Farbporträts hat Robert Barry diskret als zweite Ebene Worte eingesetzt, nach dem gleichen Prinzip der Streuung wie im unterirdischen Durchgangsraum zur Kantine. Zu lesen ist, diesmal in englisch: FOUND, CAREFUL, CELEBRATE, ALREADY, LOOK, EXPECT …Einige dieser Worte sind wie im Durchgangsraum angeschnitten und stehen auf dem Kopf. Diese Arbeiten von Robert Barry sind bei den Mitarbeitern auf eine erstaunlich positive Resonanz gestoßen. Darüber berichtet ein 1997 gedrehter, von der DZ BANK veranlasster Dokumentarfilm.

 

Robert Barry wurde 1936 in New York City, USA geboren.

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