Miguel Rothschild, Kathedrale Notre-Dame, Paris, 2011

Zirkulärer Lichtraum

Jan Dibbets
Miguel Rothschild
Annette Kelm
Ignacio Uriarte

 

Es ist das Wahrnehmen von oder der neue Blick auf etwas, was in den hier versammelten Arbeiten thematisiert wird – auf ganz unterschiedliche Weise widmen sich vier Künstler verschiedenen Aspekten des Sehens.

So fotografiert der niederländische Künstler Jan Dibbets für sein zehnteiliges Tableau »Ten Windows« Fenster. Es sind fast ausnahmslos runde Öffnungen im Mauerwerk, die er aus dem Inneren von Gebäuden mit der Kamera in den Blick nimmt. Dabei geht es dem 1941 in Weert geborenen Künstler weniger darum, das Motiv »Fenster« als architektonisches Element fotografisch festzuhalten, als vielmehr darum, den Fokus auf das Zusammenspiel von Licht und Strukturen zu legen, indem er der Perspektive eine zentrale Rolle beimisst. Mehr oder minder zufällig entdeckt Dibbets Mitte der 1960er Jahre, »wie interessant ein Foto aufgrund der Perspektive sein kann«, und beginnt mit sogenannten »Perspektivkorrekturen« zu experimentieren. Indem er die Kamera dreht, gelangt er zu Aufnahmen, die die Aufmerksamkeit des Betrachters vom gegenständlichen Motiv zu den geometrischen Strukturen der perspektivisch verschobenen Fensterrahmen und -stäbe, schrägen Wandkanten, Ecken, Lichteinfälle und Schattenwürfe zu leiten vermag.

Auch der 1963 in Buenos Aires geborene Miguel Rothschild greift in seiner Fotoserie »Offenbarung« Fenster, genauer gesagt gotische Kirchenfenster auf. In verschiedenen Kathedralen fotografiert er aus dem Dunkel des Kirchenraumes bunte Fensterrosen, deren Ornamente und Figuren sich dem Betrachter durch den Lichteinfall von außen zeigen. Anschließend durchlöchert er die Abzüge mit kreisrunden Ausstanzungen und hinterlegt die Fotobilder mit einer hellfarbigen Folie. Damit öffnet Rothschild den Bildraum in den Hintergrund, suggeriert gleichsam eine tatsächliche Lichtquelle und materialisiert dergestalt die »leuchtende Kraft« der Kirchenfenster, mit der dem Schauenden im Kircheninneren die göttliche »Offenbarung« vor Augen geführt werden soll.

Dagegen wählt die deutsche Fotografin Annette Kelm das Rund einer Zielscheibe als Motiv für ihr Tableau »Friendly Tournament«. In allen vier quadratischen Bildern der Serie hängt ein sogenanntes »Mato« (jap. »Ziel«) – eine schwarz-weiße Papierzielscheibe, die im japanischen Bogenschießen verwendet wird – vor einem schwarzen Schaumstoffhintergrund, der von unzähligen, ihr »Ziel« verfehlt habenden Schüssen durchlöchert ist. Während das erste Foto die Zielscheibe noch unversehrt präsentiert, weisen die Mato der folgenden Bilder immer mehr Treffer auf. Dabei durchbricht Kelm bewusst die Chronologie in der Hängung des Tableaus, indem sie beispielsweise die noch unbeschädigte Zielscheibe erst an zweiter Stelle zeigt. Dass Kelm ihr fotografisches Schaffen als den Versuch einer »Annäherung an das Sehen« beschreibt, wird in »Friendly Tournament« sinnfällig: In der Kunst des Zen-Bogenschießens gerät der Schütze in einen meditativen Zustand, in dem er sich nur noch darauf konzentriert, »die Scheibe zu treffen, der er sich gegenübersieht« (Daisetz Teitaro Suzuki).

Schließlich zeigen wir zwölf Fotoarbeiten des deutsch-spanischen Künstlers Ignacio Uriarte, in denen er mit Linealen experimentiert: Für seine Serie »Four Geometry Sets« fotografiert Uriarte geometrische Kompositionen ab, die er aus jeweils vier gleichen Kunststofflinealen zu unterschiedlichen Formen zusammensetzt. Dazu dienen ihm gleichschenklige wie ungleichschenklige Dreiecke, gerade und halbkreisförmige Lineale. Was ihn über Jahre in seinem Büroalltag als Betriebswirt begleitet hat, wird nun zum Ausgangsmaterial seines künstlerischen Schaffens: Druckerpatronen, Kugelschreiber, Millimeterpapier oder eben Lineale. Dabei geht es ihm vor allem darum, das ästhetische Potenzial des Büromaterials auszuloten. So lautet das Credo seiner künstlerischen Arbeit: »Ganz genau auf etwas Banales schauen.«

 

Jan Dibbets wurde 1941 im niederländischen Weert geboren. Er lebt und arbeitet in Amsterdam.

Annette Kelm, geboren 1975 in Stuttgart, lebt und arbeitet in Berlin.

Miguel Rothschild wurde 1963 in Buenos Aires geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Ignacio Uriarte, geboren 1972 in Krefeld, lebt und arbeitet in Berlin.

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