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Als »Farbfoto-Soziologen« beschrieb der Journalist Christoph Amend einmal den britischen Fotografen Martin Parr. Tatsächlich stellt Parr die grotesken und skurrilen, mitunter auch hässlichen Seiten des Alltagslebens in der Konsumgesellschaft schonungslos zur Schau. Seine Zeitgenossen und ihre »Vergnügungen« noch schriller darzustellen als Parr, ist kaum möglich. Für seine Werkreihe »Common Sense« aus den späten 1990er Jahren fotografiert er Menschen beim exzessiven Sonnenbaden an völlig überfüllten Stränden, beim Konsumieren von Fast Food wie überhaupt bei allem, was mit der unbändigen Gier nach Spaß verbunden ist. Es sind gänzlich ungeschönte Bilder von kräftiger oder gar knalliger Farbigkeit, mit denen Parr – wie er selbst sagt – »die Verhältnisse in der Ersten Welt, was wir mit dem Massentourismus anstellen, den Treibhauseffekt, die fehlende Nachhaltigkeit unserer Lebensweise« kritisieren möchte. Dem Vorwurf, dass er sich allzu sehr einer Ästhetik des Hässlichen verschreibe, begegnet Martin Parr gelassen: »Die Welt ist nicht schwarz und weiß, nicht gut und böse. Sie ist gleichermaßen schrecklich und schön, und diese Mischung soll sich in meinen Bildern wiederfinden.«
Auch der niederländische Fotograf Otto Snoek hält mit seiner Kamera komische und absurde Szenerien einer partywütigen Gesellschaft fest. Als »Straßenfotograf«, wie er sich selbst bezeichnet, fotografiert er seit den 1990er Jahren fast ausschließlich in seiner Heimatstadt Rotterdam – immer mit einer analogen Kamera, immer mit Blitzlicht und immer auf öffentlichen Veranstaltungen. Dabei ist ihm stets daran gelegen, möglichst viele Leute abzulichten. Frontal und mit Blitz auf die Szene gerichtet, möchte er sich den Menschen »über ihre Augen und ihre Gesichtsausdrücke nähern«, um fotografisch eine gesellschaftliche Zustandsbeschreibung zu geben: Seine Bilder gleichen einer »Art Puzzle«, sagt er, »das tief blicken lässt: hinein in Identität, Gefühle und Wohlstand.«
Dagegen widmen sich Gerhard Gäbler und Gundula Schulze Eldowy dem Alltag im »real existierenden Sozialismus« in der Deutschen Demokratischen Republik. Beide sind fotografische Chronisten des letzten Jahrzehnts der DDR. So bezeichnet Jan Thorn Prikker die Aufnahmen der Werkreihe »Ostbad« von Gerhard Gäbler als Bilder, »die Anteil nehmen am historischen Prozeß der Selbstauflösung eines Staates«. Die erzählenden Schwarz-Weiß-Fotografien zeugen von einem kritisch beobachtenden Blick, mit dem Gäbler die Wandlungen im Alltagsleben – fern von einer staatlich »vereinnahmten« Ästhetik – auf subtile Weise einzufangen versteht. Um »das Porträt einer Gesellschaft zu erstellen«, so Gäbler, lichtet er in den Straßen der verfallenen Wohnviertel seiner Heimatstadt Leipzig (und bisweilen auch anderer Städte der DDR) Szenerien ab, die zu bildlichen Metaphern einer Umbruchszeit geraten. Dabei entbehren seine Fotobilder nicht einer gewissen Komik: Eine Aufnahme von 1990 zeigt etwa, wie Passanten Beate Uhse-Kataloge erstehen, die auf dem Leipziger Markt aus einem Lieferwagen heraus verteilt werden. Und der verletzte Fahrer eines umgestürzten Wartburg, der sich mit verbundenem Kopf, blutverschmiertem Hemd und der Aktentasche in der Hand festen Schrittes auf und davon macht, wird zum augenzwinkernden Synonym eines Aufbruchswillens nach der Revolution im Herbst 1989.
Gundula Schulze Eldowy beschäftigt sich in ihren Schwarz-Weiß-Serien »Berlin in einer Hundenacht« und »Straßenbilder« mit Arbeitern und alten Menschen in den Hinterhöfen der Stadtteile Prenzlauer Berg und Scheunenviertel im Ostberlin der späten 70er und 80er Jahre. Es ist eine Welt, die es in der DDR »offiziell gar nicht geben durfte«, wie Karin Schulz bemerkt. Eine Welt vernachlässigter, verzweifelter und einsamer Menschen, die in ärmlichsten Verhältnissen leben. Vierzehn Jahre lang, von 1977 bis 1990, richtet Schulze Eldowy ihr fotografisches Augenmerk auf die Personen, die sie in diesem Milieu kennenlernt. Sie verbringt in Hinterhofkneipen Nächte mit ihnen, hört sich ihre Lebensgeschichten an, begleitet sie in ihrem Alltag und porträtiert sie. Sie seien »schnoddrig, direkt, etwas ordinär, aber voller Witz« gewesen, erzählt die Fotografin, die die Porträtierten mit »Freude am Unverblümten und Burlesken« (Joachim Güntner) gleichermaßen ins Bild zu setzen versteht.
Martin Parr wurde 1952 in Epsom (Surrey), England geboren. Er lebt und arbeitet in Bristol und London, UK.
Otto Snoek wurde 1966 in Rotterdam, Niederlande geboren. Er lebt und arbeitet in Rotterdam.
Gerhard Gäbler wurde 1952 in Leipzig, Deutschland geboren. Er lebt und arbeitet in Leipzig.
Gundula Schulze Eldowy wurde 1954 in Erfurt, Deutschland geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.