Erasmus Schröter
Bunker
Zwischen 1942 und 1944 wurden auf Befehl von Adolf Hitler durch die paramilitärische »Organisation Todt« auf einer Länge von ca. 2.700 km eine Verteidigungslinie entlang des Atlantiks, Ärmelkanals und der Nordsee zwischen Norwegen und Südfrankreich in Form von über 8.000 Bunkeranlagen errichtet. Diese kolossartigen, brutalistischen Bauten sollten das NS-Regime vor einer Invasion der Westalliierten verteidigen. Für den Bau, der in kürzester Zeit ausgeführt werden musste, wurden nicht nur Unmengen von Baumaterial bewegt und verarbeitet, sondern auch nahezu 300.000 Inhaftierte, Regimegegner und Zwangsarbeiter aus besetzten Gebieten völkerrechtswidrig eingesetzt.
In seinem Buch »Bunkerarchäologie« unternimmt der französische Philosoph Paul Virilio eine tiefgehende Untersuchung der Bunkeranlagen des »Atlantikwalls«. Virilio kombiniert darin Fotografien, Karten und militärische Anweisungen mit philosophischen Essays, um die Bedeutung dieser Strukturen zu erforschen. Er betrachtet die Bunker als Symbole der menschlichen Destruktivität und der Kriegsindustrie. Virilio argumentiert, dass diese Bauten nicht nur militärische, sondern auch kulturelle und psychologische Bedeutung haben. Sie spiegeln die »Todesmacht« und die destruktiven Tendenzen der modernen Gesellschaft wider.
In seiner Anfang der 1990er Jahre entstandenen Werkreihe »Bunker« geht der Künstler Erasmus Schröter diesen teils erhaltenen, teils als zerstörte oder verfallene Überreste verbliebenen Architekturen nach. Er fotografiert sie bei Nacht oder kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Durch den Einsatz von farbigen, künstlichen Lichtquellen inszeniert er die Bauten in einer fast theatralischen Wirkung. »Der Fotograf apostrophiert die Farben […] als ›obszöne Farben‹.« Oft setzt Schröter Komplementärfarben ein und leuchtet das Innere und die äußere Schale aus, wodurch die Baukörper in ihren bedrohlichen Volumina erfahrbar werden.
In ihrer traum(a)artigen Erscheinung werden die Bunkerarchitekturen zu Zeugen und Mahnmalen einer der dunkelsten Epochen der Menschheitsgeschichte.
Erasmus Schröter wurde 1956 in Leipzig geboren, wo er 2021 verstarb.